(1) Dass auch bei einer Beerdigung eine Einsegnung abgehalten wird, fand niemand komisch.
Ich schon.









































(4) Näheres dazu unter So schön (4)



(5) Ich meine die Referendar-Ausbildung. Die mir u.a. die erste Psychose einbrachte






































So schön. Schön war die Zeit
(9)

Prüfungen

Wie jeder Mensch, also zumindest alle Deutschen, oder vielleicht besser: die meisten Deutschen habe auch ich in diesem meinem bisherigen Leben eine Reihe von Prüfungen absolvieren dürfen. Das fing schon sehr früh an, 1949, da war ich zehn, mit der damals noch obligatorischen Aufnahmeprüfung für das Gymnasium. Meine Mutter hatte schlaflose Nächte deswegen. Weil ja "nur die Besten der ganzen Stadt das schaffen" würden, wie sie sehr oft sagte. Ich sah da kein Problem, wie später noch desöfteren (nicht immer zu Recht) und so gehörte ich dazu, weil ich ohne größere Anstrengungen bestand.

Als nächste dann die Konfirmandenprüfung, 1953. Nun ja, eine richtige Prüfung war das nicht, auch wenn es so genannt wurde, weil: durchfallen konnte da keiner und keine, die Belohnung, die dem Unterricht und der Prüfung folgte, war uns allen sicher, nämlich die sogenannte Einsegnung (1).

Eine richtige Prüfung dagegen war dann mein Abitur, 1958 noch so eine Art Zehnkampf, von Religion über Altgriechisch bis Sport, und jedes Jahr fielen einige durch. Ich hatte schon wieder keine Probleme. Das Lernen ging mir leicht von der Hand. Hausaufgaben machte ich meistens in der Schule vor der entsprechenden Fachstunde. Ich nehme an, dass mir meine Haltung dabei half: im Unterricht statt zu dösen, wie viele in meiner Klasse, passte ich lieber auf, wo ich ja nun doch mal anwesend sein musste. So verliefen denn auch die Prüfungen meiner Reife in den einzelnen Disziplinen wie von selbst. Sogar in Mathematik, einem meiner weniger geliebten und beherrschten Fächer, war ich mit den gestellten Aufgaben schon vor der zur Verfügung stehenden Zeit fertig. Und das Gleiche in Deutsch. Trotz des ein bisschen aus dem üblichen Rahmen (2) fallenden Themas, das ich mir ausgesucht hatte: "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar". Mein Vater, Lehrer für Griechisch und Latein am Human-Gymnasium in Mannheim, war an diesem Tag schon früh nach Hause gekommen und hatte meiner erneut ganz verängstigten Mutter erzählt, die Aufsatzthemen seien ganz schön gewesen; mit einer Ausnahme, nämlich "Kunst gibt nicht..." Das sei ein blöder Spruch, noch dazu von einem verrückten, vermutlich kommunistischen Maler wie Paul Klee. Als ich dann, schon nach drei Stunden, meine Arbeit abgegeben hatte und ebenfalls nach Hause kam, rief ich bei meinen sämtlichen Eltern Entsetzen hervor. Nicht nur, weil ich so wenig an Umfang (viereinhalb Seiten) und an Zeit auf diese so wichtige Aufgabe verwendet hatte, sondern eben auch wegen des furchtbaren Themas. Die Aufregung legte sich nach wenigen Wochen. Und wich einer großen Freude und ziemlichem Stolz meiner Erzeuger, als das Ergebnis bekannt wurde: alle Prüfer hatten mein Elaborat mit "1" bewertet. Und ich kriegte dann sogar für meine Leistungen in Deutsch sogar den Scheffel-Preis dafür (3). Kurz: ich hatte das Abitur, diese schwere Prüfung, mit Bravour bestanden. Und eine weitere dazu, zwischen dem Schriftlichen und dem Mündlichen, nämlich die Führerscheinprüfung. Damals war das noch - wie mein Klavierlehrer bei komplizierteren Etuden zu sagen pflegte - "ein Spauz" für mich; nach sechs Fahrstunden und ohne schriftlichen Teil hatte ich "den Lappen". Die kleinen Fehler bei meiner Prüfungsfahrt übersahen der Fahrlehrer und der angereiste Examinator großzügig und lasteten sie dem gerade hilfreich eingesetzten Schneetreiben an.

Die nächste Prüfung folgte dann Jahre später: das erste juristische Staatsexamen. Dorthin war ich nach einigen Um- und Irrwegen dann doch irgendwann gelangt (4). Und weil ich dann dieses Examen dummerweise mit einem ganz passablen Ergebnis überstand, rang ich mich dazu durch, eine bereits verabredete Stelle in der Redaktion der "Süddeutschen Zeitung" auszuschlagen und stattdessen den steinigen und dornenreichen Weg (5) zu der konsequenterweise als Abschluss folgenden nächsten Tortur zu gehen, dem zweiten juristischen Staasexamen. Es bestand aus 12 Klausuren, darunter zwei achtstündige. Ich bestand, mit Ach und Krach. Weil ich mich die ganze Zeit auch mehr mit meinem Studentenkabarett "Die Stichlinge" befasst hatte als mit dem mir zunehmend zuwider erscheinenden Stoff der juristischen Theorie und Praxis. Diese Prüfung aber war auch zugleich meine letzte im eigentlichen Sinne des Wortes und sie geschah zu einer Zeit, da Willy Brandt Kanzler der BRD war, was hinwiederum in den Augen allzuvieler Deutsche eine schwere Prüfung für das deutsche Land darstellte.

Weitere Prüfungen, ohne Noten und mit konkreten, schweren, vom Leben gestellten Themen und Aufgaben folgten, obwohl ich ein Dasein als Free Lancer gewählt hatte, um den in festen Angestelltenverhältnissen bekannten quälenden Bewertungen von Vorgesetzten zu entgehen. Es waren Prüfungen in meinen Jobs als Autor und Liedermacher, in meinen Familien- und sonstigen Beziehungen, mit Vermietern, Bankangestellten, Rundfunkredakteuren, Honorarabteilungsleitern, Autoverkäufern, Steuerberatern und dergleichen mehr. Nicht alle habe ich bestanden, und nur wenige mit cum oder gar summa cum laude...

Inzwischen nähere ich mich meiner letzten Prüfung. Nicht mit der mir oft sonst eigenen und meist hilfreichen Sorglosigkeit, Ahnungslosigkeit oder Gelassenheit, sondern mit immer häufiger auftretender Nervosität und - oft irrationalen - Ängsten. Es ist klar, wovon ich rede: von den Prüfungen, an deren Ende der Tod steht, sei es als Belohnung, sei es mit dem nach unten zeigenden Daumen. Erste Teil-Examen liegen bereits hinter mir. Wann weitere folgen, weiß ich nicht, ebenso wenig wie schwer sie sein werden und ob und wie ich sie bestehe. Ein bisschen Trost spendet mir dabei - nein, nicht wie zu vermuten eine der dafür erfundenen und davon profitierenden Religionen, sondern ein so nüchterner und oft so fälschlich als blutleer eingeschätzter Mensch wie der Wirtschaftssachverständige John Maynard Keynes; mit seiner Erkenntnis: Auf lange Sicht sind wir alle tot. Und haben damit dann alle, also auch ich, alles über- und auch die letzte Prüfung endlich bestanden.

Anfang Juni 2013


































(2) Also etwa "Wie stehen Sie zu der Jungfrau von Orleans" oder "Ist Goethes Heideröslein auch heute noch aktuell?"










 


(3) Eine spezielle und folgenlose Ehrung, leider auch ohne Preisgeld, in Baden-Württemberg