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von DER TRANSDEMOKRAT

DER
TRANSDEMOKRAT
Nummer 97 

"I'm honored to shake the hand of a brave Iraqi citizen who had his hand cut off by Saddam Hussein." —George W. Bush, Washington, D.C., May 25, 2004
(ein weiterer schwerwiegender Grund für den segensreichen Einmarsch!)
 13. Juni 2004 (Europawahlspecial)
Ungeschützt - Unzensiert - Unzivilisiert
IMPRESSUM: 
Ersteller: 
Ekkes Frank * Hamburgerstr.2-4 * 50668 Köln * Tel. 0221-139 4801 
e-mail: ekkes@ekkes.de
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Inhalt:
Editorial
Europa hat die Wahl...
The Global Play
Gelungene Visualisierung / Da freut sich die arabische Welt!
Aus der Welt der Talkshows
Guido Bravo
Schnipsel
Kleikaz zu "militärischen Mitteln" / Kulturschaffende und ihr gewolltes Europa / Zitat Burkhard Müller, SZ / Lothar Bisky im "Freitag"-Gespräch
Persönliche Anmerkungen
Notizen (16): Berauschende Ernüchterung
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Editorial

Europa hat die Wahl. Äh, nein, falsch, ganz falsch sogar. Richtig ist: ein Teil der Menschen in jenen Ländern, die zur sogenannten EU gehören, hat in den letzten paar Tagen auf dafür vorbereiteten Papieren (locker-flockig als "Stimmzettel" bezeichnet) ein X gemacht (scherzhaft: "angekreuzigt"). Richtig ist weiterhin, dass die Leute es sich aussuchen konnten, bei welchem Namen und welcher danebenstehenden Gruppe sie das taten. Daraus aber abzuleiten, sie hätten auch zwischen wirklich unterschiedlichen Politikzielen gewählt, ist selbst dann (oder vielmehr erst recht dann) falsch, wenn diese Botschaft aus sämtlichen Medien dröhnt. Ach nein: der TransDemokrat behauptet ja nicht, dass von NPD und REPs über CSU, CDU, FDP, Grüne, SPD bis zu PDS und DKP alle gleich seien. Er erinnert allerdings an die alte Weisheit: Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie längst verboten. Wobei ergänzt sei: ganz ohne Ausnahme ist auch diese Regel nicht - Wahlen verändern schon etwas, nämlich die Parteien, die daran teilnehmen; vorletztes Beispiel: die Grünen, vorerst letztes Beispiel: die PDS.
Auch der TransDemokrat hat natürlich die Einladung bekommen, bei dem eingangs geschilderten Spektakel mitzumachen. Er hat als höflicher Mensch die "Briefwahl-Unterlagen" angefordert und auch prompt und rechtzeitig erhalten. Er hat dann den "Stimmzettel" mit den beeidruckenden Maßen 68,4 cm mal 20,9 cm studiert und war bass (bzw. zumindest bariton) erstaunt, dass es 22 Kreise gab unter kategorischen "Bitte hier ankreuzen". Und obwohl dabei so verlockende Anbieter waren wie "Die Tierschutzpartei" (Nr. 7), DIE FRAUEN (9), die PVC - sorry: PBC (Partei Bibeltreuer Christen - 12) oder AUFBRUCH (18) ist der TransDemokrat dann seinem vorgefassten festen Vorsatz treu geblieben und hat nicht gewählt, wie er das nun schon seit einiger Zeit praktiziert.
Das hat gelegentlich zu Kritik geführt, sogar zu heftigen Attacken etwa in der Art (die der TransDemokrat in seinem früheren Leben als Demokrat ebenfalls an den Tag gelegt hat), dass zu wählen einfach die verdammte Pflicht und Schuldigkeit eines jeden sei, der das Glück habe, es noch zu können. Oder auch: dass nicht zu wählen allenfalls dann hinnehmbar sei, wenn es mit einer politisch sauberen Begründung, demonstrativ und daher mit dem erkennbaren Ziel geschehe, etwas bewirken zu wollen.
Aber ach! Das genau ist ja der Irrtum: zu glauben, man könne etwas bewirken - durch Wählen oder durch Nichtwählen! Die Demokratie war eine nette, zeitweise an- und gelegentlich auch sehr aufregende Episode, auch in der deutschen, an politischen Experimenten zu reichen Geschichte. Heute, in den Zeiten der Post- bzw. in der sich mehr und mehr konturierenden TransDemokratie sollten wir uns mit solch energieraubenden Streitereien nicht weiter aufhalten. Wir müssen einfach mit einem Donald Rumsfeld oder dessen deutscher Bonsai-Variante Otto Schily leben, dass Wolfgang Clement sozialdemokratischer wäre als Friedrich Merz behauptet nicht einmal der resozialdemokratisierte Klaus Uwe Benneter. Natürlich ist Gerhard Schröder nicht Helmut Kohl, ihm fehlt schon mindestens ein Zentner Lebendgewicht. Auch zwischen Angela Merkel und Edmund Stoiber gibt des den einen oder anderen Unterschied, wenn auch ohne größere Folgen. Überhaupt kein Unterschied dagegen besteht zwischen der Teilnahme an einer Wahl und der Nicht-Teilnahme. Ob mehr oder weniger als die Hälfte der rund 350 Millionen sogenannte EuropäerInnen sich oder sonst jemand bekreuzigt haben, hat auf den Fortgang der global sich zuspitzenden Auseinandersetzung der Konzerne so viel Einfluss wie die bitteren Tränen der Angelika Beer auf Joseph Fischers politische Vorstellungen: nämlich null. 
Es geht dem TransDemokraten wahrlich nicht um das bisschen Porto, das er durch die Nichtabsendung des vorschriftsmäßig ausgefüllten Stimmzettels spart, dies könnte er sich trotz der heftigen Kürzungen seiner Rentenerwartungen bei der Pensionskasse der Rundfunkanstalten gerade noch leisten. Es geht ihm auch nicht ums Prinzip, über solches Denken ist er (und er dankt dafür, wem immer dafür zu danken ist) ebenfalls hinweg. Worum es ihm eigentlich geht: dass er mit dem wahrhaft befriedigenden Gefühl, das Richtige nicht unterlassen zu haben, seine Nicht-Teilnahme auch an dieser "Europawahl 2004" ebenso genießen kann wie das fernsehmäßige Ignorieren (er besitzt derzeit nicht mal einen entsprechenden Apparat) der auf anderen Feldern und mehr mit den Füßen als mit dem Kopf ausgetragenen, aber ebenfalls europäisch ausgerichteten Meisterschaft. 
Mit einem fröhlichen Gruß aus dem Süden:
Der TransDemokrat
PS: Dass sich transdemokratisches Denken mehr und mehr ausbreitet, zeigt sich in zwei Beispielen der letzten Tage - sie haben einen Ehrenplatz in den "Schnipseln" unten gefunden (Nr. und Nr. 4)

The Global Play
(früher: Außenpolitik)
Gelungene Visualisierung!

Selten genug, dass sowas gelingt: eine Schülergruppe aus Botnang in Baden-Württemberg hat diese schöne Grafik gestaltet. Sie zeigt, was bei der Europawahl von den an derselben teilnehmenden WählerInnen bestätigt wurde. Links: Edmund Stoiber, rechts: Gerhard Schröder.

 

Da freut sich die arabische Welt!

Es war - auch wenn man es kaum glauben kann - eine Idee des deutschen Kleikaz Schröder: mit diesem Foto soll in einer groß angelegten Werbkampagne der arabischen Welt gezeigt werden, dass der Westen zu wirklichem Entgegenkommen bereit und in der Lage ist - nämlich zum Verzicht auf den demonstrativ zur Schau getragenen imperialistischen Zivilisationsstrick: die Krawatte.
Tony Blair und Silvio Berlusconi allerdings - siehe Bild - wollen da nicht mitmachen. Sie erklärten, sie kämen sich ohne das modische Attribut "irgendwie kastriert" vor und könnten sich nicht in der nötigen Würde bewegen, die unzivilisierten Völkern gegenüber unerlässlich sei.

Aus der Welt der Talkshows
(früher: Aus Bund, Ländern und Gemeinden)


Guido Bravo

Von "Westerwelles Ärger über die Sitten im Parlament" berichtet die Süddeutsche Zeitung (11.6.04, S.6). Unter anderem empören ihn die zügellosen Zwischenrufe, die seine elaborierten Gedankengänge oft empfindlich durcheinanderbringen.
Aber Guido kritisiert nicht nur - er zeigt auch praktische Wege auf, wie den Missständen abgeholfen werden kann. Hier demonstriert er, wie Meinungsäußerungen seiner Auffassung nach erfolgen sollen - ruhig, sachlich und doch wirkungsvoll.

Sehr gut, Herr Westerwelle, setzen, eins!

Schnipsel 1 2 3
Schnipsel 4
"Wir sind... nicht leichthin bereit, zu militärischen Mitteln zu greifen."
Gerhard Schröder, Kleikaz

TransD: Wunderbar! Und so richtig! Da muss schon was ganz was Schweres her - wie im Kosovo z.B. Aber dann - ja, dannkann uns nichts und niemand mehr zurückhalten, Leute!!
 
 
 
 
 
 
 
 

"Der deutsche Bundekanzler steht für das neue alte Europa, das keine Kriege mehr will und für das alte neue Europa, das konsequent für den Frieden kämpft. Egal gegen wen und egal wo. Mit Worten und nicht mit Waffen."
36 Kulturschaffende in einer SZ-
Anzeige "Das neue Europa, das wir wollen".

TransD: Dass sich die Kürzungen im Kulturbereich so schnell und so erschreckend bemerkbar machen würden, hatten selbst wir nicht erwartet...  
 

 

"Die Theoretiker des Demokra-
tismus mögen es ungern hören, aber: Nicht zur Europawahl zu gehen, heißt Europa vertrauen. Europa, so wie es funktioniert, ist nicht demokratisch. Jedoch es funktioniert."
Burkhard Müller in "Wahl ohne Wähler", SZ 11.6.04, S. 13

TransD: Willkommen im Club! (Wie sang doch einst das Rock-Kabarett FLOH DE COLOGNE: Es hat erst angefangen, wir werden immer mehr...
 
 
 

 

(Frage:) Vielleicht leben wir ja schon nicht mehr in einer Demokratie, sondern in einer mit viel Geld korrumpierten Mediokratie.
(Antwort:) Ja, das Verrückte ist doch, dass alle so tun, als lebten wir noch in einer echten parlamentarischen Demokratie. Das ist der große Irrtum. Längst ist die in den großen Medien veröffentlichte Meinung bestimmend geworden, und die Politiker richten sich danach.
Lothar Bisky "Im Gespräch", FREITAG 24, 4.6.04, S. 5

TransD: Auch du, Lothar - herzlich willkommen!

   Persönliche Anmerkungen


Nicht nur ein neues Jahr steht an: ein neuer Lebensabschnitt. Italien - ein neues, noch weithin unbekanntes Land; ein neues Zuhause, neue Nachbarn. Nicht mehr als Besucher hier, als Tourist, nicht mehr die Unverbindlichkeit, nicht mehr das Bewusstsein, jederzeit zurückkehren zu können in eine vertraute, bekannte Lebensform. 
Herausforderung, selbstgewählt: sich einlassen auf radikale Veränderung. Neugier und Spannung, zugleich die alten Ängste. Ich bleibe ja, der ich war. Was und wie ich geworden bin, kann ich nicht ablegen. Ich habe mich mitgenommen hierher.
Herantasten an das Andere, es erfahren, erleben, verarbeiten, täglich neu der Versuch, es zu begreifen. Die kleinen Banalitäten ebenso wie die existenziellen Unterschiede. Eine Hilfe dabei: Reflexionen, Notizen, Berichte, Beobachtungen.
Notizen (16): Berauschende Ernüchterung

Wie nah man sich in einer Fernfahrerkneipe doch sein kann! Fast wäre es sogar noch warm genug gewesen, das Abendessen zum ersten Mal in diesem kühlen 2004 im Freien einzunehmen. Aber dafür gibt es bald noch so viele Gelegenheiten, da muss man nichts verzwingen (hätte meine Mutter so gesagt). Also bestellen wir vier im montäglich schwach besuchten Gastraum unsere Mahlzeit, und den unvermeidlichen Wein natürlich (K und M bevorzugen heute wieder den weißen).
Der Wein aber – rot oder weiß ist gleich gut – kann nicht der Grund dafür sein, dass wir uns schon nach einer knappen Stunde in einer überaus angeregten Diskussion wieder finden. Vier Deutsche – zwei Frauen, zwei Männer – in Italien auf der Suche nach der verlorenen Utopie. Nein! Es geht uns überhaupt nicht schlecht! Eher ziemlich gut sogar. Also aktuell jedenfalls und ganz persönlich betrachtet. Andererseits ist natürlich alles ganz grau-en-haft!! Unmööööglich, einfach!!! Ich sage nur: Irak, Abu Ghraib, der Bush. Du sagst: Und der wird noch mal Präsident, gewählt oder nicht wie schon einmal. Und sie ergänzt: Naher Osten!!! Er bellt dazwischen: Schröööder! Fischschscher!!! Und alle gemeinsam sinken wir stöhnend auf unsere Stühle zurück: Schiiiiilyyyy!!!
Auf wie vielen Demos waren wir, einzeln, zu zweit oder vielleicht ohne es zu wissen zusammen? Wie viele Kreuze auf unzähligen Stimmzetteln haben wir gemacht? Wie oft haben wir uns gegenseitig zu immer neuen Aktionen agitiert oder zur revolutionären Geduld ermahnt? Die Klassiker gelesen oder Steine geschmissen oder Frauenpower gezeigt oder Friedenslieder im Gewerkschaftschor gesungen. Und heute – heute sitzt der G-Punkt Schröder hinter eben jenen Gittern, an welchen er einst karrieregeil gerüttelt hat; und wir – wir sitzen in einer kargen, gemütlichen Fernfahrerkneipe in den Marken bei handfest gutem Essen und schönem Wein. Echauffierende Empörung – diese Schweinereien der Bush-Clique, das ist doch alles schon längst keine Demokratie mehr! – wechselt mit beruhigenden Banalitäten – auch das römische Imperium war irgendwann am Ende…!
Ich frage, überhaupt nicht rhetorisch, ob es denn – bei allem Chaos und Schrott ringsum – irgendwo wenigstens einen winzigkleinen Fortschritt gegeben habe? Dann müsse man doch vielleicht doch noch mal nachdenken über weiteres Kämpfen. Du sagst: aufgeben darf man sowieso niemals. Er behauptet, der Mensch sei nicht gut, keiner könne für sich die Hand ins Feuer legen, dass er nicht vielleicht auch foltern täte, andererseits sei der Mensch aber auch nicht schlecht, meine er. Sie erinnert daran, dass es wie auch immer falsch wäre, auf guten Wein, gutes Essen und die Gesellschaft guter Freunde zu verzichten.
Lauter tröstliche Trivialitäten. Die gescheiterten Utopien verhindern zum Glück nicht das Erleben von Heiterkeit. Satt sind wir geworden, wieder einmal (wenn auch nicht satt genug, um an nichts anderes mehr zu denken), geschmeckt hat es auch, noch einen Caffè und einen Averner. Und etwas später noch einen.
So ein schöner Abend! Buona notte! Lass uns telefonieren, Und klar doch: ci vediamo!

12.06.04